Heute ist wieder Samstag und mittlerweile bin ich seit zwei Wochen in Genf. Ich habe mich gut eingelebt und bin auch mit meiner Arbeit recht zufrieden. In der vergangenen Woche habe ich die Planung für das Kambodscha-Projekt durchgesehen und kommentiert und die indigenen Fellows bei der Planung ihrer Projekte unterstützt. Und schließlich bin ich im Begriff, am Beispiel von Kambodscha den Einfluss diverser ILO Projekte auf indigene Völker zu untersuchen und dafür eine Methode zu entwickeln, die sich auch auf andere Länder anwenden lässt.
Gestern bin ich früher von der Arbeit nach ‚hause’ gefahren, um meinen vorerst letzten Umzug über die Bühne zu bringen. Es goss in Strömen, während ich mit dem Rad zur RUI fuhr und ich war durch und durch nass, als ich ankam. Wohl wegen des Regens war kein Taxi verfügbar, was mich mit all meinem Gepäck zu meiner neuen Unterkunft hätte bringen können. Daher fuhr ich zunächst mit dem Rad hin, um den Schlüssel abzuholen, bevor das Büro des Vermieters zumacht. Später lief ich dann bei weiterhin starkem Regen wieder zur RUI und brachte mein Gepäck mit dem Taxi in die neue Unterkunft. Diese besteht im Wesentlichen aus einem relativ kleinen, etwas schäbig möblierten Wohnzimmer mit einer kleinen Küchenecke und einem ebenfalls kleinen Bad.
Für den Abend hat meine Chefin alle Kollegen sowie die Fellows zu sich nach Hause zum Essen eingeladen. Sie ist eine studierte Anthropologin aus Dänemark, hat offenbar die letzten Jahrzehnte überwiegend in Südamerika aber auch Asien und Afrika gelebt und immer mit Bezug zu indigenen Völkern gearbeitet. Als letztes hat sie an der Entwicklung einer europäischen policy gegenüber indigenen Völkern mitgearbeitet, bevor sie vor wenigen Wochen Leiterin des Projektes wurde, in dem ich arbeite. Sie ist mit zwei Söhnen alleinerziehend. Gegen 20 Uhr laufe ich in ihrer geräumigen Wohnung auf, die etwa 200 Meter von meiner neuen Unterkunft entfernt ist und die sie erst vor wenigen Tagen bezogen hat. Es gibt tonnenweise Lamm mit Gemüse und später selbstgemachtes Eis. Es ist eine sehr angenehme Runde, in welcher viele angeregte Gespräche zustande kommen. Später bringe ich noch die Fellows zum Bahnhof und laufe zu meinem neuen Zuhause, wo ich die erste Nacht verbringe.
Heute schlafe ich zunächst gründlich aus, bevor ich in einem Migros-Supermarkt um die Ecke einkaufen gehe. Wie immer bringen mich die Preise heftig ins Schwitzen und ich versuche, mich auf die grundlegenden Dinge zu beschränken. Anschließend bringe ich dann noch meine Hemden in die Reinigung (25 Franken für 5 Hemden), bevor ich mich mit dem Fahrrad auf den Weg in die Stadt mache. Zunächst fahre ich zur Touristeninformation, wo ich schätzungsweise eineinhalb Kilo Infomaterial bekomme. Diese Stadt scheint erheblichen Aufwand ins Marketing zu investieren. Anschließend fahre ich zum Flohmarkt auf dem Platz ‚Pleine de Plainpalais’.
Diese kleine Insel in der Rhone ist nach Rousseau benannt und in ihrer Mitte steht eine Statue des großen Philosophen.
Auch diese Häuser stehen mitten in der Rhone, die aus dem See und durch Genf fließt.
Das ist der Platz, mit Blick nach Süden. Im Norden, hinter mir, ist ein Kurs mit zahlreichen Rampen aufgebaut, auf dem abends Skater und Biker ihre Tricks trainieren. Die Berge im Hintergrund sind schon in Frankreich und offenbar regnet es dort gerade ein wenig.
Um den Platz herum sind zahlreiche Stände aufgebaut, an denen die für Flohmärkte üblichen Waren verkauft werde. Ich laufe einmal um den Platz und finde das Angebot eher bescheiden. Im Grunde bin ich überrascht, dass Leute den Müll kaufen, aus dem das Sortiment dieser Händler im Wesentlichen besteht. Ich kaufe eine SIM Karte für mein Handy (sunrise, 45 Franken) und ein Schloss für mein Fahrrad. Dann mache ich mich wieder auf den Weg zum See, wo ich an einer Rundfahrt mit einem Schiff teilnehmen möchte.
Ein Ferrari vor einem der teuren Hotels am See. Fahrzeuge dieser Preisklasse sind in Genf sehr verbreitet und ihr häufiger Anblick verfestigt bei mir den Eindruck, dass in dieser hochmütigen Stadt zu viele Leute zu viel Geld haben.
Gerade rechtzeitig erreiche ich eine der zahlreichen Anlegestellen, wo ich für 12 Franken ein Ticket für eine eineinhalbstündige Rundfahrt erwerbe und mich an Bord begebe. Das Schiff hat Platz für etwa 50 Leute und ist vielleicht zur Hälfte voll. Im Verlauf der letzten Tage ist es kälter geworden in Genf und seit gestern ist es auch ziemlich windig, was man auch gut an der Fontäne sehen kann.
Wir fahren zunächst das südliche Ufer entlang nach Osten. Dieses ist einer der größten öffentlichen Parks, Grange, und in dem Gebäude in der Bildmitte befindet sich ein nobles Restaurant.
Blick auf die andere Seite des Sees, wo sich das Viertel mit den meisten internationalen Organisationen befindet. Das helle Gebäude rechts gehört zum UNO Komplex und das graue Gebäude in der Bildmitte ist die ILO.
Blick zurück nach Genf.
Über die grünen Hügel entlang des Ufers sind zahlreiche Nobelwillen verstreut. Ein Schwarm mir unbekannter Wasservögel wird vom Schiff aufgescheucht.
Hinter den Bäumen befindet sich Chateau de Bellerive, ein Schloss aus dem 17. Jahrhundert. Nebenan steht eine Luxusvilla, welche zusammen mit dem Schloss im Besitz von Prinz Saddrudin Khan ist.
Auf dem Fels im Vordergrund befindet sich eine bronzene Mehrjungfrau.
An dieser Stelle überqueren wir den See, um entlang des anderen Ufers zurückzufahren. Der Seegang ist für ein Binnengewässer beachtlich stark. Obwohl wir uns einige Kilometer von Genf entfernt haben, ist die Fontäne immer noch gut zu erkennen.
Das ist Richtung Süden. Hinter den Wolken ist der Mont Blanc.
Das rechte Haus wurde 1723 erbaut. Präsident Eisenhower war hier 1955 untergebracht und Präsident Reagan 1985.
Das Gebäude auf dem Berg ist Chateau Rothschild und wurde 1858 gebaut.
Der Völkerbundpalast, das Hauptquartier der UNO in Genf.
Das graue Gebäude, welches zwischen dem alten und neuen Teil des UNO Komplexes zu sehen ist, gehört zur ILO.
Dieses Gebäude war früher der Sitz von ILO, später der GATT und heute der Welthandelsorganisation.
In diesem Gebäude befindet sich das ‚University Institute for Advanced International Studies’.
Villa Bartholoni, erbaut 1828, enthält heute das Museum für Wissenschaftsgeschichte.
In der Mitte das Palais Wilson, welches 1872 erbaut wurde, zunächst Sitz des Völkerbundes, später auch der ILO wurde und heute das Büro des Hochkommissariats für Menschenrechte enthält. Hier habe ich in der ersten Woche zusammen mit den Fellows Briefings genossen.
An der Hafeneinfahrt.
Im Anschluss an diese Rundfahrt begebe ich mich zu einem thailändischen Imbiss, von wo ich mir ein appetitliches Hühnchengericht mit nach hause bringe. Später mache ich mich noch mal mit dem Fahrrad auf den Weg. Dieser führt mich zunächst in die Nähe der UNO, deren Anlage ich nördlich umfahre. Dabei komme ich an einem Gebäudekomplex vorbei, der mit Stacheldraht, Betonbarrikaden, und diversen Absperrungen gesichert und von schwer bewaffneten Soldaten bewacht wird. An einer großen Fahne ist leicht zu erkennen, dass es sich um die amerikanische Botschaft handelt. Die Soldaten sehen nicht aus, als würden sie es dulden, dass Passanten Fotos machen. Diese Einrichtung befindet sich in unmittelbarer Nähe der ILO.
Auf dem Rückweg komme ich dann auch beim John Knox Center vorbei und bin froh, nicht mehr hier zu wohnen. Das ist das Gebäude der Weltgesundheitsorganisation. Es ist bemerkenswert, wie viele Gebäude internationaler Organisationen mitten in die grüne Landschaft gebaut sind.
Das trifft auch auf die ILO zu, die heute in diesem Gebäude untergebracht ist.
Auf der Wiese im Vordergrund weiden Pferde. Wenn ich im Büro das Fenster aufmache, höre ich sie gelegentlich wiehern.
Da es von hier bergab geht, brauche ich nur etwa 15 Minuten bis nach hause. Das ist auch gut so, denn es fängt wieder an zu regnen. Ich gönne mir die erste heiße Dusche im neuen Heim und verbringe den Abend mit Lesen und Schreiben und einigen Southpark-Folgen.