Für Sonntag habe ich mich mit den Fellows verabredet, um zusammen etwas zu unternehmen. Es war im Gespräch, zusammen nach Lausanne zu fahren, einem Städtchen nicht weit entfernt von Genf. Leider haben wir die Entscheidung nicht vorher getroffen.
Bevor ich losfahre, mache ich noch Bilder von meinem gegenwärtigen Zuhause. Dieses ist die Rückseite. Das Fenster meines ‚Studios’ ist unten das dritte von links, an dem der Rollladen hoch gezogen ist.
Das ist die Vorderansicht.
Wie verabredet, treffe ich Yuuki in einem Kaffee am Bahnhof. Sie sagt mir, dass Tony im Internetkaffee um die Ecke ist. Tony verbringt sehr viel Zeit mit chaten, im Büro und am Wochenende. Walter war vorher nicht sicher, ob er kommen würde oder lieber in die Kirche gehen sollte. Er hat neulich ein paar Mormonen kennen gelernt und wir sind nicht sicher, ob das wirklich ist, wonach er gesucht hat. Ich trinke mit Yuuki einen Kaffee und wir besprechen, was wir tun können. Die Zugfahrt nach Lausanne kostet 40 Franken, was besonders für Tony kaum zu akzeptieren ist. So kommt eine Fahrt mit dem Boot auf der Rhone und der Besuch des Museums des Roten Kreuzes in die nähere Auswahl. Da Tony nicht erscheint, besuchen wir sie, um zusammen die Auswahl zu treffen. Auch nach zwanzig Minuten guten Zuredens ist Tony jedoch nicht vom Rechner wegzubekommen. Sie chatet gerade mit ihrem zukünftigen Ehemann, der nicht möchte, dass sie geht. Etwas enttäuscht von dieser Entwicklung gehe ich mit Yuuki zu einem günstigen Thai-Restaurant um die Ecke, während Tony verspricht, in einer halben Stunde nachzukommen. Wir essen und es vergehen gut eineinhalb Stunden, ohne das Tony erscheint. Wir bezahlen und treffen Tony, die immer noch wie gebannt auf ihren Rechner starrt. Es braucht weitere 20 Minuten guten Zuredens, bevor sie sich trennen kann. Die Bootsfahrt ist keine Option mehr, denn wir haben keine Zeit mehr, das letzte Boot noch zu erreichen. Das erspart uns die Entscheidung und wir fahren mit dem Bus zum Museum des Roten Kreuzes. Persönlich wäre mir die Bootfahrt lieber gewesen und ich wäre kaum auf die Idee gekommen, dieses Museum zu besuchen. Nicht zuletzt, weil es kaum mehr als hundert Meter von meinem Arbeitsplatz entfernt ist und das Wetter nicht so schnell wieder so toll sein dürfte.
Wir erreichen das Museum und bezahlen jeder 10 Franken Eintritt. Führungen gibt es nur auf Französisch und das Privileg eines Tonbandes in einer anderen gängigen Sprache kostet weitere 3 Franken. Wir verzichten dankend. Überraschenderweise ist die Ausstellung im Keller. Zunächst kommen wir in einen Raum, in dem Leute auf Bänken einer Wand gegenübersitzen, auf der mit drei Diaprojektoren wechselnde Bilder gezeigt werden, mit musikalischer Untermalung. Was mit den Bildern ausgesagt werden soll, bleibt mir relativ unklar. Es handelt sich überwiegend um Ausschnitte aus Gemälden, auf denen Kriege und deren Begleiterscheinung dargestellt sind. Am Ende kommt plötzlich schöne Musik, der Betrachter sieht auf der Leinwand das Bild des Gründers des Roten Kreuzes, wie er an einem Schreibtisch sitzt und grübelt. Dann teilt sich die Wand und dahinter beginnt die Ausstellung. Den Anfang finde ich schon mal ziemlich plump.
Die Ausstellung führt durch eine Reihe von Räumen, die mit unterschiedlichen Utensilien gefüllt sind, welche mit der Tätigkeit des Roten Kreuzes in Zusammenhang gebracht werden. Das finde ich ausgesprochen langweilig. Auch die Begleittexte können mein Interesse nicht wecken. Die Ausstellung ist technisch anspruchsvoll in Szene gesetzt und die nichts sagenden Text werden oft kunstvoll an blanke Betonwände projiziert. Auch sonst gibt es viel Multimedia, insbesondere Räume mit Bänken, in denen Filme gezeigt werden. Das Muster ist immer das gleiche. Dem Betrachter wird Krieg und menschliches Leid gezeigt, dann kommt das Rote Kreutz aus der Schweiz und alles wird gut. Zunehmend finde ich diese Ausstellung ausgesprochen abstoßend. Im Wesentlichen handelt es sich um unreflektierte Selbstbeweihräucherung des Roten Kreuzes und die Verklärung seiner Geschichte. Informationen sind eher rar und trivial. Dafür wird die Macht der Bilder und Emotionen ausgereizt, dem Betrachter moralische Größe und heldenhafte Stärke und Handlungsweise der Organisation zu suggerieren. Wahrscheinlich würde mich das weniger stören, wenn es nicht eine Grundhaltung zum Ausdruck bringen würde, die mir hier auch sonst oft begegnet: Die Schweiz ist der Nabel der Welt und wir machen’s besser als die anderen. Ich kann mir nicht verkneifen zu denken, dass in jedem der dargestellten Kriege die Schweiz sich vornehm neutral verhalten und die Rote Kreutz Fahne geschwenkt hat, während Schweitzer Banken dicke Kohle von den korrupten Führern beider Seiten kassieren und Kredite für Waffenkäufe ausgeben. Wahrscheinlich liegt nicht zuletzt der abstoßende Wohlstand von Genf in dieser uneigennützigen Neutralität begründet. Aber darüber wollen die tollen Schweizer lieber nicht reden, um die Konten soll es lieber still bleiben.
Das erinnert mich auch an die Funktion des Roten Kreuzes in Kambodscha. Dieses wird von der Frau des Premierministers Hun Sen geleitet. Dieser hat seinerseits als Soldat bei den Roten Khmer angefangen und sich seitdem vom Kommunisten zum vielfachen Millionär gemausert. Auch seine Frau gehört zu den vermögendsten Personen des verarmten Landes. Das Rote Kreutz ist für sie nur eine Fassade, um mit dem Leid ihrer Mitbürger und dem Mitleid der Menschen in anderen Ländern ihr Vermögen zu vergrößern. Wenn man in Kambodscha nicht will, das Spenden die Bedürftigen erreicht, ist man beim Roten Kreutz immer an der richtigen Stelle. Ich hinterlasse einen bissigen Kommentar im Gästebuch, bevor wir gehen.
Im gleichen Gebäude gibt es noch eine weitere, temporäre Ausstellung über humanitäre Hilfe. Diese ist kostenlos und entpuppt sich als das Gegenteil der Ausstellung im Keller. Die Präsentation kommt ohne Multimedia aus. Die Arbeit einer wachsenden Zahl von Hilfsorganisationen wird nüchtern und ohne Illusionen dargestellt. Kritische Fragen werden gestellt, wie die nach der Effektivität humanitärer Hilfe und der Schwierigkeit, in gegenwärtigen Konflikten humanitäre von militärischen Aktionen zu unterscheiden. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen kommen zu Wort und berichten nicht zuletzt von ihrer Frustration und Desillusionierung. Was hier dargestellt wird ist nicht, dass humanitäre Hilfe sinnlos oder schlecht ist, aber immer unzulänglich und hilflos angesichts der Konflikte und Tragödien, deren Ursachen sie nicht erreichen kann.
Die Sonne scheint noch, als wir das Gebäude verlassen, und der Wind hat noch zugenommen. Yuuki schlägt vor, in das Porzellanmuseum neben der UNO zu gehen, von wo man einen großartigen Blick hat. Der Eintritt in diesem Museum ist kostenlos. Das Gebäude sieht nicht nur von außen toll aus und einmal mehr frage ich mich, ob es für einen solchen Bau direkt neben der UNO keinen besseren Zweck gibt, als ein Porzellanmuseum zu beherbergen.
Leider dürfen wir die Tür des Balkons nicht öffnen, weil die Bediensteten Sorge haben, der Sturm könnte die Fenster im Oberlicht zerstören.
Das ist der Blick Richtung Süden. Im Hintergrund die Berge, einschließlich des Mont Blanc. Im Vordergrund das Dach des moderneren Teils des Völkerbundpalastes der UNO. Die Leute dort müssen echt einen guten Blick haben, denn zwischen Vorder- und Hintergrund liegt der Genfer See.
In der anderen Richtung kann man das Gebäude der ILO sehen, in der Mitte dieses Bildes, etwas verdeckt von den Bäumen und wenig einladend. Rechts daneben das Gebäude des Roten Kreuzes.
Von links nach rechts: Yuuki, Tony und ich.
Im Licht der untergehenden Sonne: Das Porzellanmuseum und im Hintergrund das Portal des Völkerbundpalastes.
Mittlerweile ist es extrem stürmisch und sehr kalt. Als wir gerade gehen wollen, kommt eine ältere Frau aus der Tür und wird vom Wind fast umgeworfen. Da sie große Schwierigkeiten hat, auf den Beinen zu bleiben, nehmen wir sie am Arm und bringen sie zum Bus, mit dem auch wir zum Hauptbahnhof zurückfahren. Unterwegs erzählt sie uns, dass solch ein Sturm das letzte Mal im Jahr 2000 gewütet hat.
Ich bin neugierig, den See bei diesem Wetter zu sehen und schlage vor, zum Ufer runterzulaufen. Viele Enten und Schwäne haben in dieser geschützten Bucht Zuflucht gesucht.
Dieses ist eine Art Kaimauer, welche hier fast über den ganzen See reicht. Auf der anderen Seite ist die Fontäne, die aber schon bei weniger Wind nicht angestellt wird. Der Teil rechts von dieser Mauer ist relativ geschützt, während links die Wellen mit großer Wucht an die Mauer schlagen.
Zur linken ist eine Art öffentlicher Strand, während sich rechts ein Bad befindet. Etwas rechts von der Bildmitte ist eine Badeinsel an den Steinstufen zerschmettert, die sich offenbar losgerissen hat. Der Boden ist bedeckt mit Algen.
Unten rennt eine Person vorbei, die nicht von der Gischt erwischt werden möchte. Rechts steht jemand auf dem flachen Dach der Badeanstalt und lehnt sich weit gegen den Wind.
Wir beschließen, in einem preiswerten philippinischen Restaurant Abendbrot zu essen. Es handelt sich um einen bescheiden eingerichteten Raum im Kellergeschoss einen Hauses. Der Raum wird von Neonlampen erhellt und die alle vier verfügbaren Gerichten stehen auf kleinen Öfen im Fenster. Wir werden von einer älteren Frau bewirtet. Ich mag den Ort und finde den Kontrast zu den sonst eher übermäßig eleganten Restaurants reizvoll. Das Essen ist gut und wir wärmen uns lange auf, bevor wir wieder gehen.
Auf einer kürzlichen Reise durch Kombodia habe ich nette Leute kennen gelernt.
Vorgängig konnte ich per Skype (Telefon) kontakt mit Ihnen aufnehmen und auch eine E-Mail wurde beantwortet, aber jetzt kommt jeweils ein Band dessen Stimme ich nicht richtig verstehe.
Können Sie mir vieleicht helfen, oder jemand angeben der helfen kann und ev. Kontakt mit Combodika hat?
Herzlichen Dank für eine Antwort
freundliche Grüsse
Walter Eschbach
Deine Aussagen zum Roten Kreuz sind inakzeptabel.
Besser Neutralität bewahren und die erste Hilfsorganisation der Welt gründen als 2 Kriege führen und kein Rotes Kreuz gründen, oder?
Schade dass eine (deiner Meinung nach) misslungene Ausstellung dich zu solchen ungerechtfertigten Verurteilungen verleiten kann. Es muss dir doch klar sein dass eine solches Museum auch dazu genutzt wird, Spendengelder zu rechtfertigen und wir es also mit purer Propaganda zu tun haben.
Wenn dich hohe Preise stören bist du in Genf am falschen Ort, ganz ehrlich.
Machen wir uns nichts vor, jedes Land hält sich ein bisschen für das Zentrum der Welt, umso mehr wenn es sich durch Wohlstand “bestätigt” sieht. Da die Schweiz wohlhabender ist als fast alle anderen Länder, ist sie dafür besonders anfällig.
Und noch was: die Stadt Genf ist hoch verschuldet, von Reichtum kann da keine Rede sein. Natürlich sind einige Bewohner der Stadt obszön reich, aber dabei handelt es sich meist um Ausländer und nicht um Schweizer.
Reiche Ausländer sind jedoch in der Schweiz selbstverständlich und kein Genfer Phänomen (siehe Gstaad oder Zug).
Ich weiß nicht woher du diese ganze Kritik und Verbitterung nimmst, ich finde Genf immer noch toll. Für mich war mein Umzug hierher wie eine Wiedergeburt. Endlich weg aus der bornierten, süddeutschen Provinz!
Ich würde mich über eine Antwort freuen.