Weiterhin gibt es wenig Aufregendes zu berichten und ich fasse die wenig einschneidenden Ereignisse hier zusammen, um nicht aus der Übung zu kommen. Mit meinem Job kann ich mich arrangieren und bin auch manchmal ganz zufrieden, was dabei rauskommt. Zum Beispiel ist das Design für den Kalender fertig und wir haben von mehreren Seiten erfahren, dass es gut ankommt. Nun wird das Teil in einer Stückzahl von 2500 gedruckt und verteilt. Ansonsten habe ich auch gelegentlich den Eindruck, dass die Fellows von der Zeit profitieren, die ich mit ihnen verbringe.
Freitag machte ich das folgende Foto von meinen Kollegen und den Fellows und nutze die Gelegenheit, meine Kollegen vorzustellen, von rechts nach link: Yuuki aus Japan; Mangeye, unsere Sekretärin aus Mauritius; Tony aus Indien; Francesca aus England; Birgitte, meine Chefin aus Dänemark; Walter aus Surinam und ich.
Vielleicht ist es erwähnenswert, dass Walter ziemlich zu Begin seines Aufenthaltes sein Ausweis gestohlen wurde. Seit dem hat es enormer Anstrengung von fast allen am Projekt beteiligten Personen bedurft, um einen neuen Ausweis zu beschaffen. Leider ist es nicht gelungen, ein neues Visum zu bekommen. Da das alte nur bis zum 24. gültig ist, wurde Freitag kurzfristig entschieden, das Walter schon Montag abreisen müsste, um Ärger mit den Behörden zu vermeiden. Das ist sehr schade, denn das Programm geht noch eine Woche weiter. Schade ist auch, dass Walter im Verlauf der letzten Wochen vor allem mit seinem Ausweis und dem Visum zu tun hatte und daher wenig zum Programm beitragen oder davon gewinnen konnte. Erwähnt werden sollte auch auch, dass Walter nicht sehr erfolgreich darin ist, seine Probleme selbst zu lösen, aber mit großer Selbstverständlichkeit annimmt, alle anderen müssten sich pausenlos darum kümmern. Hier ein Bild von Walter mit seinem gescheiterten Visa-Antrag.
Blick am frühen Abend aus dem Fenster der ILO auf den Genfer See.
Für den Freitagabend hat Walter angeboten, bei Birgitte zu hausen surinamesische Spezialitäten zu kochen. Yuuki, die bei Birgitte wohnt, hat zwei Freundinnen aus Japan zu Besuch und es ist eine interessante Runde. Walters Anteil am Kochen besteht außer gelegentlichem Umrühren im Wesentlichen aus den Anweisungen, mit denen er die Damen wissen lässt, was sie als nächstes tun können.
Viele Leute stehen in der Küche, von links nach rechts: Rama, eine ILO Praktikantin aus Indien, die in New York studiert hat und mit der ich oft Kaffee trinke, Yuukis Freundin aus Japan, die in Genf ‚Humanitarian Action’ studiert. Leider habe ich ihren Namen vergessen. Und Natsumi, die in Südkorea geboren wurde und seit einem Jahrzehnt in Japan lebt und gerade in Europa Urlaub macht. Heute abend sind die Asiatinnen in der Überzahl und sorgen auch für gute Unterhaltung.
Das Essen ist ausgezeichnet und die Unterhaltung sehr interessant. Als es dann später wird, übernimmt Walter, angeregt von zahlreichen Getraenken, die Unterhaltung allein. Die asiatischen Damen hören geduldig und höflich zu, während er pausen- und zusammenhanglos erzählt, bis wir irgendwann etwas frustriert aufbrechen.
Um noch etwas Langweiliges zu erwähnen: In meiner Residenz gibt es für etwa 300 Mieter nur eine Waschmaschine und entsprechend schwierig ist es, einen Augenblick abzupassen, in dem sie mal nicht in Betrieb ist. Vor sechs Wochen habe ich eine Chipkarte gekauft, mit der die Maschine in Gang gesetzt werden kann. Für Samstag früh habe ich mir vorgenommen, um sechs aufzustehen und meine Sachen zu waschen. Zu diesem Zweck habe ich mir gestern noch von der Hausverwaltung ein Bügeleisen und ein Bügelbrett geborgt. So stehe ich dann verschlafen mit meiner Wäsche in drei Plastetüten vor der Maschine und bin froh, dass keiner vor mir da war. Als ich meine Chipkarte einführe, lässt mich die Anzeige wissen, dass meine Karte ungültig ist. Neben der Maschine hängt ein Zettel, auf dem steht, dass nur noch neue Karten akzeptiert werden. Meine nur wenige Wochen alte Karte gehört offenbar nicht dazu. Ich trete gegen die Maschine und lege mich frustriert wieder hin.
Nachdem ich gefrühstückt und mich etwas um meine Bewerbungen gekümmert habe, mache ich mich auf, um durch die Altstadt zu laufen, von der ich bisher noch nicht viel gesehen habe. Jedenfalls nicht bei Tageslicht. Ich füge hier nur ein paar Bilder ein und spare mir die Kommentare.
In diesem Haus wurde Rousseau geboren.
Im Anschluss an den Stadtspaziergang mache fahre ich noch etwas mit dem Rad durch die Stadt. Wie es der Zufall will, komme ich an dem Laden vorbei, in dem ich mein Rad gekauft habe. Es handelt sich um ein Geschäft, in dem alle möglichen gebrauchten Gegenstände angekauft und verkauft werden. Ich gehe hinein, um zu sehen, ob ich irgendwas gebrauchen kann. Das Angebot an Fahrrädern ist heute deutlich groesser und ich entdecke ein GT Rad mit sehr passabler Ausstattung (Shimano Deore plus Rock Shox Judy, Synchros Felgen und Avid Hebel) für 400 Franken, der doppelte Preis des eher bescheidenen Rades, welches ich hier vor sechs Wochen erworben habe. Je länger ich mir das Teil ansehe, desto schwächer werde ich. Ich beginne in Erwägung zu ziehen, mein Rad wieder zu verkaufen und das GT Teil zu erwerben. Nachdem ich eine Probefahrt gemacht habe, ist mir klar, dass ich nicht mehr mit meinem alten Rad fahren will. Der Verkäufer bietet an, mein altes Rad für 100 Franken zurückzukaufen und mir für das GT 50 Franken nachzulassen. Ohne zu verhandeln willige ich ein. Ich hätte bestimmt noch was rausholen können, aber das Angebot scheint ok, insbesondere, weil sie das alte Rad nehmen, ohne viel zu fragen. Tatsächlich war von den Zahnkränzen nicht mehr viel übrig und das Tretlager war komplett ausgeschlagen. So fuhr es sich auch und das Rad haette einiges an Aufmerksamkeit und neuen Teilen gebraucht, um wieder akzeptabel zu sein. An dem neuen Rad sind sogar Schutzbleche, die für das kommende Wetter sicher sehr nützlich sind. Zusammengenommen kostet mich das Rad 450 Franken, was etwa 300 Euro entspricht und aus meiner Sicht sehr akzeptabel ist.
Nachdem ich die Bezahlung abgewickelt habe mache ich mich voller Freude auf eine ausgedehnte Radtour. Nach etwa einer halben Stunde habe ich hinten einen Platten und finde einen langen Nagel, der tief im Mantel steckt. So fahre ich mit der Straßenbahn zurück. Als die Bahn voller wird, machen mich die bösen Blicke der anderen, dicht gedrängten Passagiere darauf aufmerksam, dass die Mitnahme von Fahrrädern wohl nicht gestattet ist. Kann ich ja nicht wissen. Auf dem Weg nach hause kann ich den Mitarbeiter in einem Fahrradladen überreden, mir Flick- und Werkzeug zu borgen, damit ich das Rad in Ordnung bringen kann.
Noch am Abend mache ich mich auf den Weg zu einer weiteren Tour entlang dem Ufer des Sees, und bin weiterhin sehr begeistert von den Qualitäten meiner neuen Errungenschaft.